Wartungsarbeiten
„Papa repariert Dinge und Mama repariert die Kinder“, sagt die Siebenjährige, während ich ihrem Bruder einen eindrucksvollen Splitter aus dem Finger ziehe. Womit sie unser Familienleben ziemlich gut auf den Punkt gebracht hat.
„Und dann baut Papa Dinge, wo sich die Kinder wieder Splitter holen“, jault der Fünfjährige.
Ich finde ja, Friedolin hat den leichteren Job von uns beiden. Er behauptet natürlich das Gegenteil. Die Kinder in diesem Haus gehen aber definitiv häufiger kaputt, als die Dinge. Und es gibt auf Ebay keine Ersatzteile für sie. Vor allem die regelmäßigen Wartungsarbeiten wie Fingernägel schneiden, Haare bürsten und Impftermine bringen das Personal ständig an die Belastungsgrenze. Ich habe zum Beispiel noch nie erlebt, dass unser schiefes Gartentor kreischend davon rennt, wenn Friedolin die Schraube festziehen will. Oder dass unser Auto sich standhaft weigert, neue Reifen aufgezogen zu bekommen. Er muss auch nicht stundenlang mit der tropfenden Regentonne diskutieren, ob ihre Reparatur wirklich notwendig ist oder nicht zumindest bis nächste Woche warten kann. Irgendwie hat sich mein Mann heimlich, still und leise all die Familien-Jobs angeeignet, die entweder a) nur einmal im Jahr zu erledigen sind (Steuererklärung) oder b) viel Prestige einbringen („Der Durchbruch zur Küche sieht ja großartig aus!“) oder c) lediglich im Alleingang ohne Kinder erledigt werden können, weil schweres Gerät involviert ist („Das geht halt nicht ohne Kettensäge!“). Und vor allem haben seine Jobs einen Anfang und ein Ende.
Ich hingegen kann mich anstrengen, so viel ich will, nach kurzer Zeit sind meine Arbeitsergebnisse wie ausgelöscht. Die Haare wieder struppig, Waschbecken, Wäsche und Böden wieder schmutzig, die Kinderschuhe zu klein und all das mühsam sortierte Spielzeug wieder im gesamten Haus verteilt. Das finde ich am Mutter-Sein wirklich frustrierend. Meine Jobs sind nie beendet oder auf Pause, immer fängt alles direkt wieder von vorn an. Es gibt kein Lob oder Anerkennung, im Gegenteil, meine nervigen Aufgaben nerven auch meine Mitbewohner. Die Kinder ziehen den Stecker vom Staubsauger, weil er ihnen zu laut ist, Friedolin versteht nicht, warum er sich in der frisch geputzten Küchenspüle nicht die ölverschmierten Finger waschen soll und überhaupt wird mütterlich indizierte Hygiene grundsätzlich als überflüssig erachtet. Irgendwo in dem ganzen ist sicher eine tiefe Weisheit versteckt. Doch ich bin zu müde, sie zu erkennen.
Der Versuch, Aufgaben zu tauschen, ist kläglich gescheitert. Friedolin findet all diese sogenannten „Mütteraufgaben“ nämlich ebenfalls frustrierend. Also vergisst er sie gekonnt, wenn er zuständig ist. Sobald der Lockdown vorbei ist, werde ich einfach mal ein paar Tage allein wegfahren. Dann soll er ruhig all die lästigen Mütteraufgaben verdrängen. Denn dann muss ich das Ergebnis ja nicht mit ansehen.
2 Kommentare
Conny Gruber
Liebe Wiebke,
auch wenn ich nicht täglich die Zeit für deinen Blog finde, ich lasse keine Folge aus und leses manchmal mehrere auf einmal. Du hast ein großes schriftstellerisches Talent und auch wenn ich verstehe, dass ihr die Tür zu eurer privaten Familie bald wieder schließt, so hoffe ich, dass all die Weisheit, der Humor und die besondere Art, auf diese Welt zu blicken, weiterhin erhalten bleiben. Es wäre schade, wenn deine Sichtweise fehlen würde, auch nach Corona. Denn unsere Welt braucht Menschen wie dich, die nicht nur jammern, sondern eine andere Qualität leben. Wie groß das ist, was du verkörperst, sieht man nur beim genauer Hinschauen. Denn äußerlich geht es oft um Peanuts. Aber die Haltung dahinter und gerade das Sich-achtsam-dem-stellen-was-ist, das bewundere und schätze ich ungemein an dir. Ich wünschte, ich wäre so präsent wie du. Du bist eine Inspiration für mich und sicher viele andere.
Conny Gruber
Mist, ich war noch nicht fertig! Dass dein Fridolin das alles nur „am Rande“ mitkriegt, ist schade. Aber vielleicht auch ganz normal. Ich frage mich oft, wie viel unsere Ehepartner eigentlich wissen von dem, was uns innerlich so antreibt, motiviert oder auch fertig macht. Manches geht im Alltag unter und nicht alles will geteilt werden. Und jeder Mensch ist so sehr auch speziell und einzigartig, dass es dem anderen schon viel Mühe machen würde, das ständig zu ergründen. Obwohl es natürlich der Traum schlechthin ist. Aber so eine jahrelange Ehe bleibt eben nicht beim Verliebtsein stehen. Bestimmt seid ihr trotzdem ein ganz wunderbares Team und ich möchte dir zum Trost sagen: Wenn der Ehemann im Haushalt mitmacht und sich Aufgaben sucht, ist das auch nicht immer nur toll. Plötzlich siehst du dich Hamsterkäufen in deinem Vorratskeller gegenüber, die du so nieeee gemacht hättest, oder der Speisezettel verändert sich gegen deine Vorlieben oder ihm ist Hygiene total wichtig und dir aber Ordnung. Auch dann stehst du immer wieder vor der Frage: Wer ist das eigentlich, an dessen Seite ich nun schon so lange durch’s Leben gehe, wie tickt der denn und WARUM ist er so anders als ich … In diesem Sinne wünsche ich eurer Familie den Blick für all das Kostbare, was ihr miteinander habt. Und ich bin sicher, das hast du auch, neben den konkreten Themen. Immerhin, wenn man miteinander lachen kann, das ist doch schon eine Gottesgabe.
Ach, und ja, natürlich sehen wir uns bei einem eurer Auftritte – da wird mich nichts bremsen … Alles LIebe Conny