Pockdown
Unsere Hühner sind jetzt auch im Lockdown. Oder „Hockdown“, wie der Fünfjährige sagt. Oder „Pockdown“, wie die Siebenjährige es nennt. Sie hocken den ganzen Tag auf der Stange und pocken unglücklich vor sich hin. Die ersten Tage waren sie völlig außer sich, wenn wir in die Nähe des Stalls kamen, ohne sie rauszulassen. Mittlerweile scharren sie resigniert im Stroh.
„Tja, Mädels, willkommen im Club“, sage ich und streue ein paar Sonnenblumenkerne in die Voliere. Die Hühner haben jetzt mit der Vogelgrippe ihre eigene Pandemie inklusive Ausgangssperre und Kontaktbeschränkungen. Sie kritisieren die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahmen, da die Singvögel trotz hoher Inzidenzwerte noch frei herum fliegen dürfen, ebenso Wildgänse und Enten, die ja, wie sehr wohl bekannt sei, als Infektionstreiber gelten. Die älteren Hennen ignorieren die Kontaktbeschränkung und hocken dicht gedrängt im Außennest. Auf Nachfrage betonen sie, dass die Verbreitung der Geflügelpest durch Wildvögel äußerst fragwürdig sei und sie davon ausgehen, dass mit den Beschränkungen vertuscht werden soll, dass das Virus durch die weltumspannenden Handelsbeziehungen der Geflügelindustrie verbreitet würde, durch den internationalen Transport von Eiern, Küken, lebendem Geflügel und Geflügelprodukten und unwürdigen Haltungsbedingungen. Überzeugende Beweise für Zugvögel als „Schuldige” fehlen weiterhin, betone ja auch die den Vereinten Nationen zuarbeitende Wissenschaftliche Arbeitsgruppe Vogelgrippe und Wildvögel. „Es sind weder Mechanismen noch Arten bekannt, die es ermöglichen würden, H5N8 HPAI über lange Vogelzugstrecken zu transportieren, ohne gleichzeitig zum Tod der Virenträger zu führen.” Dagegen bleibe „das Risiko der Virus-Weitergabe durch Geflügelproduktion und -Handel hoch”, hieße es in einer Stellungnahme, die den Hennen über den Messenger-Dienst Whats-Egg zugespielt worden war. Aber sämtliches Geflügel über Wochen einzusperren und ganze Bestände zu töten sei natürlich einfacher, als eine gesamte Branche umzukrempeln, sagt die Leithenne Helene. „Fragt sich nur, wie wirksam die Maßnahmen sein werden, wenn man wieder die Falschen einsperrt“, ergänzt ihre Schwester Fischer. Die Henne Nofretete, die immer noch davon ausgeht, dass ihr Schnupfen einfach nur ein Schnupfen und nicht die Vogelgrippe ist, gackert leise: „Ich glaube, ich hatte es schon.“