Ferienreif
Die Kinder haben eine tote Vogelspinne im Müll gefunden. Und sie waren im Meer baden. Das waren so in etwa die Highlights unserer Osterferien. Die Sache mit der Vogelspinne hat sich immerhin schnell aufklären lassen. Es war nämlich gar keine. Zum Glück haben wir nicht die Feuerwehr gerufen. Wobei ich das nicht schlecht gefunden hätte, weil unser Nachbar von der Feuerwehr ja sehr nett ist und wir sonst gerade kaum Freunde treffen.
Die Kinder hatten im Mülleimer auf dem Sportplatz ein seltsames Wesen mit pelzigen Beinen gefunden und waren völlig aufgelöst nach Hause gekommen. Die Frage, warum sie überhaupt in den Mülleimer auf dem Sportplatz gucken, konnte nicht zufrieden stellend beantwortet werden. Ich vermute, es hat etwas damit zu tun, dass die Siebenjährige ständig tolle Bücher aus dem Altpapier-Container fischt. Unser Dorf macht anscheinend auch einen auf Marie Kondo. Auf jeden Fall radelte ich dann zur Sicherheit ebenfalls zum Sportplatz, um den dortigen Mülleimer zu inspizieren (was insofern absurd war, weil ich ja diejenige mit der Spinnenphobie in dieser Familie bin) und ich muss sagen: das Ding sah wirklich aus wie eine tote Vogelspinne. Nur die Tatsache, dass eine Serviette neben ihr lag und sie sich in einer Take-Away-Box befand, machte mich stutzig. Am Ende deduzierte ich kühl: es handelte sich nicht um eine Vogelspinne, sondern um kunstvoll verschimmelte Nudeln vom Asia-Bistro. Fall geklärt, Tag gerettet. Ich war der Fake-Vogelspinne aber ganz dankbar, dass sie den Kindern so viel Action beschert hatte, denn sonst herrscht hier gerade Flaute. Wobei wohl eine geheime Cannabis-Plantage im Dorf von der Polizei ausgehoben wurde. Diese Sensation war mir vollkommen entgangen. Ich weiß nicht, ob das an der Kontaktbeschränkung liegt oder daran, dass ich Zugezogene und daher nicht Teil des Dorf-Funks bin. In dem leerstehenden Gruselhaus, das unsere Kinder immer magisch anzieht, hatte jemand eine ordentliche Marihuana-Plantage angelegt. Natürlich Leute von außerhalb, wir hier im Dorf machen so was ja nicht. Wobei wir uns dann endlich mal einen vernünftigen Spielplatz leisten könnten. Hätte ich das mit der Plantage vorher gewusst, hätte ich Friedolin dort vorbei geschickt, vielleicht hätte das seine Laune verbessert. Der muss nämlich gerade die Reste unseres verschimmelten Bades rausreißen. Unser Bad sieht aber nicht aus wie eine Vogelspinne, sondern eher wie das Upside Down in Stranger Things. Die Kinder und ich hatten mit Friedolin ausgehandelt, dass wir wenigstens das Klo und das Waschbecken noch behalten dürfen, bis draußen keine Minusgrade mehr herrschen, weil sich unser Interims-Bad in der Wäschekammer nicht heizen lässt. Aber irgendwie kommt der Frühling nicht in die Gänge. Den einzig warmen Frühlingstag hatten wir zum Glück ausgiebig genutzt und die Kinder ins Steinhuder Meer getaucht, was ja eigentlich gar kein Meer sondern ein großer flacher See ist, aber es ist Corona und wir stellen keine Ansprüche mehr. Das Wasser war so eisig, dass ich schon vom Kneipen Nervenschmerzen in den Zehen bekam, aber unsere Kinder haben so starken Wasserentzug, dass sie trotzdem gebadet haben. Eigentlich müsste ich jetzt aufhören zu schreiben, weil Friedolin von mir wissen möchte, welche Badewanne und welche Dusche und welche Armaturen wir jetzt kaufen sollen, aber das überfordert mich vollkommen, weil wir uns die Duschen und Badewannen und Armaturen, die ich schön finde, ohnehin nicht leisten können, insofern will ich damit lieber nichts zu tun haben und hoffe, dass mein mir angetrauter McGyver vielleicht eine Dusche aus den Resten der Cannabis-Plantage baut und Armaturen aus dem Mülleimer am Sportplatz und überhaupt waren die Ferien überhaupt keine Ferien und ich bin total urlaubsreif.